Schreiben in fremden Städten

Herta Müller, Peter Rühmkorf oder Wolfgang Hilbig - alle diese Schriftsteller haben bereits als Stadtschreiber gearbeitet. Mit solchen Stipendien hoffen vor allem kleine Städte ihr kulturelles Leben anzukurbeln.

Der Ort hat eine literarische Vergangenheit: Theodor Fontane widmete Rheinsberg den Beginn seiner "Wanderungen durch die Mark Brandenburg", Kurt Tucholsky ließ sein Erstlingswerk "Rheinsberg. Ein Bilderbogen für Verliebte" in der 8.000-Einwohner-Stadt gut 70 Kilometer nördlich von Berlin spielen. Literatur entsteht hier am Prinzenschloss des späteren preußischen Königs Friedrich II. noch immer. Seit 1995 sorgt dafür ein regelmäßiges Stipendium, mit dem Schriftsteller als Stadtschreiber gewonnen werden.

      Die Idee dazu hatte Peter Boethig, der Leiter des Rheinsberger Tucholsky-Museums. "Begonnen haben wir mit Giwi Margwelaschwili, dann war sehr früh auch Barbara Köhler hier", berichtet er. "Wolfgang Hilbig hat hier gearbeitet, Bert Papenfuß beispielsweise, Volker Braun war vor einigen Jahren hier, Wiglaf Droste war hier, Ulrich Enzensberger. Also es ist wirklich eine sehr, sehr große Palette."

Ungestörtes Schreiben in der Provinz


     Seit 16 Jahren lassen sich zwei Mal jährlich Schriftsteller mit einem Stipendium für fünf Monate in die Provinz locken. Für Deutschland ist dies nicht ungewöhnlich, mehr als 20 Städte haben ähnliche Programme. Besonders bekannt für seine Stadtschreiber sind Mainz, Dresden oder der Frankfurter Stadtteil Bergen-Enkheim.

Stadtschreiberin vor Schloss: Koenig in Rheinsberg

     Finanziell oft knappen Schriftsteller ermöglicht solch ein Stipendium, eine Zeit lang ungestört ihrer Arbeit nachzugehen. Die Städte wiederum erhoffen sich eine kulturelle Bereicherung, wie Peter Boethig erklärt: "Es sollen Autoren hier herkommen, die möglicherweise über Rheinsberg schreiben. Sie sind nicht dazu verpflichtet laut Satzung. Ich kann und will den Künstler nicht zu einem Thema verpflichten. Aber ich kann versuchen, sie zu verführen. Und das ist dann ein literarischer Mehrwert, dass der Ort in der Gegenwartsliteratur präsent ist."

Stadtschreiberin für Kinder

     Auch Christina Koenig hat sich verführen lassen. Noch bis Ende dieses Jahres ist die Kinderbuchautorin Rheinsberger Stadtschreiberin. Die agile Frau mit freundlichen Augen und kurzem Lockenhaar sieht dies als Geschenk, um sich ohne Ablenkung durch andere Aufträge ihrer Arbeit widmen zu können.

     "Ich glaube die Aufgabe ist tatsächlich zum einen die Förderung des literarischen Schaffens. Und das In-Kontakt-Bringen von Bewohnern der Städte zu den Schreibenden", sagt sie. "Einen Austausch zu beflügeln und vielleicht die eine oder andere Diskussion über das jeweilige Werk." Koenig will als Stadtschreiberin an ihrem ersten Roman für Erwachsene arbeiten. Zudem plant sie gemeinsam mit Kindern aus dem Ort die Produktion eines Hörbuches mit Bezug zur lokalen Geschichte. Und es ist üblich, dass die Stadtschreiber zu Lesungen einladen.

Von den Autoren profitiert auch der Ort

     "Also ich hab den Anspruch, dass die Stadt genau so viel von mir hat wie ich von ihr", schildert Koenig. "Es ist aber auch legitim, wenn jemand sagt: Ich zieh mich fünf Monate jetzt in meine Kemenate zurück, arbeite konzentriert und will niemanden sehen."

     Die literaturinteressierten Rheinsberger allerdings freuen sich, wenn sie von ihren Stadtschreibern etwas zu sehen bekommen. Buchhändler Frank Förster registriert, dass die jeweiligen Autoren sich gut verkaufen. Als Beispiel nennt er ein Buch von Wiglaf Droste, der vor zwei Jahren vor Ort war. Es versammelt Kolumnen, die der Satiriker in Rheinsberg für die Lokalzeitung schrieb. Auch abseits vom Geschäft freut sich Förster über die Anwesenheit der Schriftsteller "Gerade dadurch lernt man viele verschiedene Arten von Literatur kennen. Wir hatten schon sehr interessante Leute hier - das ist eine Super Sache."
(für: Deutsche Welle Online, dw-online.de/kultur)