Von Sven Kästner
Selbst
Aldi-Süd ist mittlerweile dabei: Seit diesem Frühjahr steht fair
gehandelter Kaffee in den Regalen des Discounters, wenn
auch als Nischenprodukt neben all den konventionellen Bohnen. Keine
Supermarktkette in Deutschland verzichtet heute noch ganz auf
Produkte aus korrektem Welthandel, wie Lisa Herrmann von „Transfair
e.V.“ in Köln sagt. Der Verein vergibt hierzulande das
„Fairtrade“-Siegel. An diesem sind Waren zu erkennen, deren
Produzenten gerecht bezahlt werden.
2010
kauften die Deutschen so viele Produkte aus fairem Handel wie nie
zuvor. 413 Millionen Euro gaben sie dafür aus - satte 28 Prozent
mehr als im Jahr zuvor, wie die Dachorganisation der Branche, „Forum
Fairer Handel“ (FFH), erfasste. Doch die seit Jahren zweistelligen
Wachstumszahlen täuschen darüber hinweg, dass „fair“ nach wie
vor nur für einen Bruchteil der schönen Warenwelt gilt.
So
ist Kaffee mit einem Anteil von 32 Prozent am Gesamtumsatz deutscher
Fair-Handels-Importeure zwar mit Abstand das erfolgreichste Produkt
der Bewegung. Insgesamt aber kommt nur ein Prozent des in Deutschland
verbrauchten Koffeingetränks aus dem gerechtem Warenverkehr.
Großbritannien ist da schon weiter. Dort stammen zwanzig Prozent des
Kaffees von Erzeugern in Lateinamerika oder Afrika, die unabhängig
vom Weltmarktpreis angemessen bezahlt werden.
Aufklärung
über den gerechten Handel mit Produzenten aus Entwicklungs- und
Schwellenländern steht deshalb auch im Mittelpunkt der „Fairen
Woche“, die am 16. September beginnt. Zum zehnten Mal organisieren
das FFH und „Transfair“ diese Informationstage, die mittlerweile
zwei Wochen lang sind. In etwa 400 der 800 deutschen Weltläden sowie
in vielen Supermärkten soll bis zum 30. September wieder verstärkt
für den fairen Handel geworben werden.
Aufruf zur "fairen Kaffeepause"
Die
Organisatoren hoffen, dass bundesweit mindesten die 1.700
Veranstaltungen aus dem Vorjahr zustande kommen. Vertreter von
Produzenten werden durch die Bundesrepublik touren, um die positiven
Auswirkungen darzustellen. In Lateinamerika, Afrika oder Asien sorgt
die angemessene Bezahlung der meist genossenschaftlich organisierten
Erzeuger für finanzielle Sicherheit bei Kleinbauern, bessere
Planungsmöglichkeiten und höhere Bildungschancen.
Zum
Abschluss der Aktionstage ruft „Transfair“ zur „Kaffepause
fair“ auf, anmelden kann man sich auf der Website unter
fairtrade-deutschland.de.
Unter
dem Motto „Fair ist mehr“ wollen die Aktivisten für den
gerechten Welthandel in diesem Jahr aber auch das Plus ihrer Waren
für die hiesigen Käufer in den Mittelpunkt stellen. „Fairtrade
bedeutet mehr Lebensqualität für die Produzenten im Süden, aber
auch für die Konsumenten im Norden, weil es sich um hochwertige
Produkte handelt“, sagt Christoph Albuschkat, Koordinator der
„Fairen Woche“ vom Weltladen-Dachverband. So seien etwa 70
Prozent dieser Lebensmittel ökologisch erzeugt. Der Preisaufschlag
ist oft moderat im Vergleich zu einem hochwertigen, aber herkömmlich
exportierten Produkt.
Aufklärung und Genuss
Auch
die Gepa, das größte europäische Fair-Handelshaus, setzt auf diese
Strategie. Längst stecken die Produkte ebenso in schicken
Verpackungen wie bei der konventionellen Konkurrenz. Immer aber ist
auch vermerkt, wo genau die Rohstoffe herkommen. Oft sind auch die
Produzenten auf der Packung abgebildet. „Aufklärung und Genuss
sollen sich ergänzen“, sagt Unternehmenssprecherin Brigitte
Frommeyer. „Aber Öffentlichkeitsarbeit für die Belange der
Erzeuger ist immer noch ganz wichtig bei uns.“
Dass
dieser Punkt wichtig bleibt, zeigen auch die Zahlen des FFH. So
entfielen nur zwei Prozent des deutschen Fair-Handels-Marktes 2010
auf Textilien. Der Anteil am gesamten Kleidungsmarkt in Deutschland
ist trotz 29 Prozent Wachstum verschwindend gering. Die meisten der
Textilien werden nach wie vor in den 800 Weltläden angeboten, doch
mittlerweile finden einige Stücke auch über größere
Bekleidungsketten zu den Kunden. So sei ein Teil der vergangenes Jahr
verkauften 2,6 Millionen Einzelstücke von den Adler-Modemärkten
angeboten worden, berichtet Lisa Herrmann von „Transfair“.
Für
die Kunden ist es oft nicht leicht, abseits der Lebensmittel Waren
aus fairem Handel zu erkennen. Handwerksprodukte etwa tragen das
„Fairtrade“-Label nicht. Bei Textilien bezieht es sich meist nur
auf den Anbau der Baumwolle, nicht aber auf die Produktion. Um
Käufern die Orientierung zu erleichtern, arbeitet der Weltverband
„Fairtrade Labelling Organizations International“ (FLO) seit
einiger Zeit an Richtlinien für ein einheitliches Symbol. Was aber
das „Fairtrade“-Siegel trage oder in den Weltläden angeboten
werde, sei in jedem Fall korrekt, versichert Koordinator Albuschkat.
(für taz, die tageszeitung)